Inflation 2023 zu 1923

Damit kommen wir zu der Frage, was heute anders ist als 1923. Und überraschenderweise ist der Unterschied keine gute, sondern eine überaus schlechte Nachricht. Je untergliederter die Arbeitsteilung einer Volkswirtschaft ist, desto essenzieller ist die Bedeutung stabiler Preise für die Wirtschaftsrechnung. Je länger und filigraner die Lieferketten werden, desto wichtiger wird das, weil man das Preisänderungsrisiko nicht auf breiter Front durch langfristige Preis- und Lieferverträge absichern kann. Tut man das, so transformiert sich das Preisrisiko in einer Hochinflation nur in ein Gegenpartei-Ausfallrisiko, sichert die Vertragsparteien also auch nicht mehr ab.

Heute ist die Arbeitsteilung um Zehnerpotenzen komplexer als 1923. Damit ist die Höhe der Inflation, die wir aushalten können, bevor es zum totalen Zusammenbruch der Produktion kommt, auch um Zehnerpotenzen kleiner. Man sollte nicht glauben, dass wir in ähnlicher Weise resilient wären, wie die weit weniger technologisch und arbeitsteilig entwickelte Ökonomie der Weimarer Republik, au contraire! Ich wage die Vorhersage, dass eine Inflationsrate von 50 bis 100 Prozent im Euro-Raum den Kollaps bewirken wird. Noch schneller geht es, wenn es unserer Regierung gelingt, den Strommarkt so weit zu gängeln, dass ein großflächiger Blackout das Land heimsucht.

Entscheidend ist hierbei nicht die Konsumgüter-inflation. Sie stellt nur den Endpunkt der Überwälzung auf den Verbraucher dar und ist damit ein Maß für die Verarmung der Bürger. Sie bildet aber nicht die Verzerrung der Wirtschaftsrechnung in den Unternehmen ab. Die entscheidende Messgröße hierfür ist die Erzeugerpreisinflation, also die Entwicklung der Produktionskosten in den Unternehmen.

Da wir per Ende August 2022 schon eine Erzeuger-preisinflation von 46 Prozent mit rasant steigender Tendenz hatten, trennen uns nur noch Millimeter von der Katastrophe. Die störrische, um nicht zu sagen verbohrte Haltung eines Mannes, der sich Wirtschaftsminister nennt, in der Frage der Abschaltung der verbleibenden Kernkraftwerke wird mit hoher Wahrscheinlichkeit dafür sorgen, dass wir auf der falschen Seite der Rasierklinge herunterfallen. Dann wird sich einmal mehr der Satz von Ernest Hemingway bewahrheiten, der, obgleich ein Linker, über Inflation und Krieg den wahren Satz prägte: „Das erste ‚Allheilmittel‘ eines schlecht regierten Landes ist die Inflation, gefolgt vom Krieg. Beide schaffen vorübergehende Prosperität, und beide enden im Ruin. Und beide sind die Zuflucht politischer Opportunisten.“

Womit wir wieder bei der Ausgangshypothese angekommen sind, dass das, was wir hier und jetzt vor uns stehen haben, das Biest der Anti-Zivilisation und der Tyrannis ist.

Es ergibt sich zwingend, dass, wenn der Motor der Zivilisation die Arbeitsteilung frei handelnder Menschen mithilfe des Tauschmittels stabiles Geld ist, der Umkehrschluss nur lauten kann: Instabiles Geld, Manipulationsgeld, Fiatgeld ist nicht nur einfach ineffizient, schädlich und wohlstandszerstörend, es richtet sich vielmehr gegen den Motor und damit gegen die Substanz des zivilisatorischen Fortschritts.

Das macht die Inflation zu einer Ausprägung des Sozialismus, als zivilisationszerstörendes Element. Sie ist damit eine Inkarnation des „Todestriebs in der Geschichte“, wie Igor Schafarewitsch es formuliert hat.

Mit diesen Gedanken zum Wochenstart

wünsche ich einen erfolgreichen Start in die neue Woche.

Bleiben Sie mündig und handlungsfähig

Ihr

Michael H. Bretschneider

Kommentare sind geschlossen.